Montag, 20. Oktober 2014

Ebenholzflittchen

Hart, schwer und wertvoll. So ist es - das Ebenholz. Auf Türkisch nennt man es "Abanoz" und aufgrund seiner wunderbaren Eigenschaften verwendet man es gern im Instrumentenbau. Klarinetten sind aus Ebenholz oder Mundstücke für andere Blasinstrumente. 
Nicht die Krönung der Hölzer, sondern eher der Gipfel ist "Abanoz" für die Herren im Rathaus des Istanbuler Küstenstadtteils Sile. Sile ist direkt am Schwarzen Meer gelegen, mit Sandstränden, einem pittoresken Leuchtturm, einem trutzigen Felsen vor der Küste und berühmt für seine hübsch bedruckten Kleider und Blusen. Ein Idyll - wäre da nicht diese eine Straße die seit jeher "Abanoz" heißt. Aber die Stadtverwaltung denkt dabei weder an Musik, noch wertvolles Holz, höchstens noch an Schneewittchen mit ihrem Haar, das laut der Gebrüder Grimm ja bekanntlich schwarz wie Ebenholz war. Einst hat man die Gasse wohl nach dem wertvollen Baum benannt, aber die Stadtverwaltung von Sile, die der Großstadtverwaltung Istanbul untersteht, findet den Namen "hässlich und anrüchig" und beantragte daher die Änderung.
 Da kann man sich wohl nur wundern, es sei denn, man wirft einen Blick auf die Kulturgeschichte des 73 Kilometer entfernten Stadtteils Beyoglu. Kein Seeklima, schon lange keine pittoresken Häuser mehr, dafür aber jahrhundertelang viel besungenes Amüsierviertel. Einst gab es auch dort eine Abanoz Sokak und diese war berühmt-berüchtigt. Denn bis in die 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts gab es hier die berühmtesten Freudenhäuser der Stadt. Heute zeugt davon wenig und auch den Namen hat man geändert. Der Straßenzug heißt jetzt frei übersetzt "Gasse der Rettung". Doch noch immer kursieren Lieder und Gedichte, welche die einstige Fama des Ortes besingen. Von "Herzen, die an zerdrückte Blumen erinnern" schreibt zum Beispiel der Dichter Ümit Yasar Oguzcan. Das ist nicht anstößig, sondern melancholisch. 
In Sile ist das egal, Hauptsache das zuständige Amt für Kartographie ändert den Namen. Vorgeschlagen hatten die Stadtväter "Schulstraße", aber das wurde abgelehnt. Möglicherweise, weil man in einer Straße, in der die Menschen anscheinend an Bordelle denken, nicht auch noch die Neugier auf Neues wecken möchte. Statt dessen hat man sich für "Asim Sokak" entschieden: das bedeutet "rein" oder auch "ehrenhaft". Da stehen doch die Chancen gut, dass die Herren der Stadtverwaltung ihre schmutzigen Gedanken in Griff bekommen. 

Donnerstag, 19. April 2012

Buddha im türkischen Lehrplan

Heiß umkämpft war eine Gesetzesänderung um das Bildungssystem in der Türkei. Doch trotz Demonstrationen, Handgemengen und Beschimpfungen konnte sich die Regierungspartei AKP durchsetzen und ein Modell nach - so die Eigeneinschätzung - deutschem Vorbild einführen.

Ob Mädchen nach der Änderung noch viele Schulen von Innen sehen werden, die Kinderarbeit legalisiert wurde oder außer den Arbeitgebern viele Menschen Anlass zur Freude an dem Gesetz haben werden, wird sich zeigen. Aber immerhin können die Kinder nun ab der Mittelstufe das Wahlfach „Unser Heiliger Prophet“ wählen. Aus der Formulierung lässt sich schließen, dass jedes Kind mehr über seinen Propheten erfahren kann: Buddhisten über Buddha, Christen über Jesus, Muslime über Mohammed. Wer weiß, vielleicht sind sogar ein paar falsche Propheten mit im Angebot?

Oder haben die Verfasser des Gesetzes - absichtlich oder unabsichtlich? - geflissentlich übersehen, dass es in der laizistischen Türkei möglicherweise mehr als nur einen, „unseren“ Propheten gibt? 

Montag, 7. November 2011

Die Hoffnung stirbt zu letzt

Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer für alle Hammel, Schafe und Rinder: Die Feierlichkeiten zum Tag der Republik am 29. Oktober wurden abgesagt, nachdem ein schweres Erdbeben die südostanatolische Stadt Van heimgesucht hatte. Für echte "Republikaner", sprich die parlamentarische Opposition, war dies ein beinahe noch schlimmeres Beben, wenngleich auf ideeller Ebene. Immerhin hatte man nicht einmal kurz nach dem Tode von Republikgründer Atatürk die feierlichen Paraden abgesagt. Auch nicht während des Zweiten Weltkrieges.  CHP-Chef Kilicdaroglu, aufgrund seines Postens selbsternannte oberste Instanz in Fragen bezüglich Republik und Atatürk, belehrt die Regierung, dass es dieser wohl an Verständnis mangele, was besagte Republik ausmache.

Als nun an diesem Wochenende das religiöse Opfer begangen wurde, hatten neben vielen betroffenen Schafen, Ziegen und Rindern auch die wenigen Veganer in der Türkei Hoffnung, dass auch dieses abgesagt würde. Die vegane politische Bewegung formiert sich gerade erst, die Zahl der Mitglieder ist noch überschaubar, aber es gibt bereits das erste vegane Restaurant der Stadt: Loving Hut. An 1. November, als also bereits die ersten Opfertiere in den Zeltstädten eingetroffen waren, begingen sie den internationalen Welt-Vegan-Tag. Neben Kurzmeldungen in einigen wenigen unabhängigen Medien wird man aber höchstens durch erboste Muslime auf die friedvollen Gutmenschen aufmerksam, die glauben, statt Tiere zu schlachten, könne man auch einfach so Gutes tun und so seiner religiösen Pflicht nachkommen.

Diejenigen, die solch abtrünnigem Gedankengut Koransuren entgegen setzen und alle anderen auch, begingen das rituelle Opferfest wie gehabt: Tausende Tiere wurden auf offener Straße, in Garagen oder an den dafür extra eingerichteten Schlachtplätzen geschächtet. Fast 2000 Menschen wurden mit Verletzungen in die Notaufnahmen gebracht - den Hobbyschlachern mangelt es wohl an Routine und neben mindestens 15 abgetrennten Gliedmaßen gab es jede Menge Schnittverletzungen. Durch die Straßen und Supermärkte rasten wild gewordene Rindviecher, die ihren Besitzern entkommen waren. Und die Wasser des Bosporus färbten sich stellenweise rot vom Blut der Tiere, die nicht ordnungsgemäß an dafür vorgesehenen Plätzen geschlachtet wurden.

Auch Oppositionschef Kilicdaroglu opferte ein Rind und ließ es an die Menschen in Van, die durch das Erdeben ihr Hab und Gut verloren haben, verteilen. Ein Gutes hat die Geschichte also doch: Während die Feiertage der Republik die Fronten in der Regierung nicht mehr einen können, scheint das gemeinsame - wenn auch blutige -  Ritual dies zu schaffen. Und die Kühe? Die beißen weiter ins Gras. 

Freitag, 4. November 2011

Bloß nicht hinsehen

Google weiss, wer sich für Kinderporno interessiert. Die meisten Suchanfragen zu diesem Begriff sollen aus der Türkei stammen. Als diese Meldung das erste Mal durch die Medien gurkte, waren der damalige Innenminister Aksu und der Premier Erdogan entsetzt und versprachen Maßnahmen um die Pornographie mit Kindern zu bekämpfen, wo es nur geht.

Doch heute interessiert die Öffentlichkeit ein anderer Fall. Schon frühzeitig muss das Leben von N.C. aus der Bahn geraten sein. Der Tag, an dem sie das erste Mal an einen fremden Mann verkauft wurde, der ihr Vater hätte sein können, war sicher nur der traurige Höhepunkt einer tragischen Kindheit. Noch 25 Männer sollten folgen: rechtschaffende Bürger der Stadt Mersin, ihrem Heimatort im Südosten der Türkei. Lehrer, Beamte, Handwerker, Soldaten. Alles dabei. 

Aber dann nimmt das Leben von N.C. eine Wende und mit Hilfe eines Pfichtverteidigers kann sie ihre Peiniger anzeigen. Denn laut Ausweis ist das Mädchen erst 12 Jahre alt. Die staatliche Jugendhilfe nimmt sich ihrer an, bringt sie nach Istanbul, stellt ihr eine Anwältin zur Seite. Bis sie 18 wird - dann ist diese nicht mehr zuständig. Langsam, wie die Mühlen der Justiz häufig malen, ist das vor einem endgültigen Urteil. Doch noch immer hat N.C. ein bisschen Glück. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Narben der vier Operationen, die sie benötigt hat um wieder sitzen zu können, verheilt sein und es finden sich Anwälte und Vereine, die sich ihrer annehmen. 

Der Schock war das erste Urteil: Milde ließ man den Männern gewähren. Denn man ging davon aus, dass das Kind "einvernehmlichen Sex" gehabt hatte. Und natürlich möchte man das Leben von ehrenwerten Bürgern nicht ruinieren. 

Was man einem Bezirksgericht in Mardin noch verzeihen mag, bestätigte nun der Oberste Gerichtshof der Türkei. Trotz massiver Kritik steht der vorsitzende Richter Fevzi Elmas hinter seinem Urteil und erklärt "Mit Wehgeschrei kann man das nicht ändern". Die Milde, die angewendet wurde, rechnet er damit vor, dass das Knochenalter des Opfers auf 14 Jahre berechnet wurde. Also fast 15! Und dann - dann ist alles nicht mehr so schlimm. Dann kann sie anscheinend entscheiden, dass sie sich von 26 Männern, die ihre Väter oder Großväter hätten sein können, vergewaltigen lassen möchte.  Sieh mal an. 

Wer ein Kind vergewaltigt, der findet schnell ein Schlupfloch. Sei es das "Einverständnis" oder auch die spätere "Ehe". Doch der Ansatz der Pornographie ist ein guter: Das Zusehen sollte ebenso bestraft werden. Und hier reden wir nicht nur von Zelluloid. 


Dienstag, 1. November 2011

Beethoven kontra Quietscheentchen


Eine ziemlich bunte Raupe dudelt "Freude schöner Götterfunken", während mein begeistertes Kleinkind dazu  tanzt.
Mich erinnert das an ein sehr denkwürdiges Gespräch mit einem türkischen Spielwarenhändler, vor vielen, vielen Jahren, als meine jetzt schon recht große Tochter noch sehr klein war. Überzeugt davon, dass ein Kind nicht ohne Spieluhr groß werden könne, verlangte ich nach "einem Kuscheltier, das Musik spielt". Der Verkäufer zögerte nur kurz, dann bot er mir ein gelbes Quietscheentchen an und quetschte es gleich neben meinem Ohr.  Staunend gab ich zu bedenken, dass die Ente nur quakt, nicht aber wie gewünscht Musik spielt. Auch mangelte es an der Eigenschaft "kuschelig weich". Daraufhin belehrte mich der Verkäufer: "Aber ein so kleines Kind bemerkt doch den Unterschied gar nicht!" Da hat er zwar womöglich recht, doch ohne ihn darauf hinzuweisen, dass es darum ginge eben diesen Unterschied zu lernen, verließ ich den Laden.
Eine Spieluhr habe ich damals übrigens in der gesamten Stadt nicht gefunden. Aber das ist womöglich nicht so schlimm: Wir haben mittlerweile unzählige in jeder erdenklichen Form und Farbe. Da man Kinder im Land der Dichter und Denker (und Komponisten!)  anscheinend ja nicht ohne groß ziehen kann, bekamen wir von dort eine ganze dudelnde Armee von Spieluhren von Tanten, Verwandten und Freunden zu den verschiedensten Anlässen geschenkt. 
Inzwischen hat auch der Türkische Kulturminister Ertugrul Günay musikalischen Nachholbedarf erkannt und versucht diesen Mängel schnellstmöglich zu beheben. Abhilfe hofft er dadurch zu finden, dass er das Staatliche Symphonieorchester auf Tour durch die abgelegenen Ecken Anatoliens schickt. Der Orchesterleiter Kenan Gökkaya freut sich, dass sie mit ihrem Bus über Land fahren und „die in den Dörfern versteckten Beethovens, Pavarottis, Mozarts und Asik Veysels“ entdecken werden. Für die Zukunft hofft er sogar auf eine „Musikhotline“: Neben 155 für die Polizei, 156 für die Gendarmerie und 110 für die Feuerwehr könnte man dann, vielleicht unter 123, eine Kunsthotline erreichen und so die Liebe zur klassischen Musik bis ins tiefste Anatolien tragen. 
Mein Kleinkind mag am liebsten Beethoven aus dem Wurm und natürlich: Sein Quietscheentchen. Es lebt im Bad. 

Dienstag, 25. Oktober 2011

Triskaidekaphobie

Triskaidekaphobie ist der Fachausdruck für die Angst vor der Zahl 13. Die 13 soll ja häufig nichts Gutes verkünden "jetzt schlägt's 13" oder die "Dreizehnte Stunde", also die Geisterstunde, künden von drohendem Unheil. Während in anderen Kulturen die Zahl gerne auch mal Positives bringt, hat es sich im christlichen Kulturkreis das mulmige Gefühl um Freitag, den 13. durchgesetzt. Denn bereits beim letzten Abendmahl war es der 13. Teilnehmer, der Jesus Christus an die damalige Justiz verraten haben soll. 
Man möchte es kaum glauben, aber in vielen Hotels gibt es heute keine Zimmer Nr. 13, bei Sportveranstaltungen verkneifen sich Veranstalter oft die Startziffer 13 und Fluggesellschaften wie Condor oder Lufthansa verzichten auf die dreizehnte Sitzreihe und den vermeintlich Unglück bringenden Sitz. Übrigens auch die Turkish Airlines. 
Dies wiederum hat Özcan Yeniceri, seines Zeichens Abgeordneter der nationalistischen MHP, erzürnt und er stellte einen Antrag, diesen Zustand sofort zu ändern. Denn eine Unglückszahl könne die 13 beim besten Willen nicht sein: Zählt man die Zahlen des Geburtsjahres des Propheten Mohammed, also 571 zusammen, ergibt das die 13. Und genau so 1453, die Jahreszahl der Eroberung Istanbuls: 13! 

Donnerstag, 13. Oktober 2011

Prügel für Anfänger

Gut gemeint hat es die Stadtverwaltung Izmir sicher und wohl auch Mühe gegeben. Frucht dieser Arbeit ist eine kleine Broschüre mit dem Titel "Anleitung zum Schutz vor Prügel". Darin finden sich so brauchbare Ratschläge wie "Meiden Sie im akuten Fall Räume mit nur einem Zugang, wie etwa das Bad." Oder es wird geraten "Embrionalstellung" einzunehmen, wenn es gerade Prügel hagelt. Immer griffbereit sollte eine Tasche stehen. Die Kolumnistin Ceyda Isik ist dem Himmel auf internethaber vor allem für eins dankbar: dass nicht auch noch geraten wird ein Mal die Woche mit seinem gewalttätigen Gatten eine "Übung" abzuhalten, damit man für den Ernstfall vorbereitet ist.
Wir erkennen daraus: Prügelnde Ehemänner scheinen unumgänglich. Einfacher ist es für frau in der Türkei sich einfach daran zu gewöhnen, sprich vorzubereiten. In diesem Sinne werden sicher bald auch Broschüren zum Thema "Verhalten bei Vergewaltigung", "Anleitung bei Diskriminierung" oder das "Merkblatt nach vermeidbaren Unfällen" erscheinen. Es heißt ja immer: Bildung ist einfach das A und O!
 
Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de